Polyphasischer Schlaf - Was steckt dahinter?

Stellen Sie sich vor, Sie würden jeden Tag nur zwei Stunden schlafen, aber so fit sein, als wären es acht. Was würden Sie mit der ganzen Zeit machen?

In den letzten Jahren wurde im Internet immer öfter von sogenannten polyphasischen Schlafzyklen berichtet. Im Extremfall, so die Theorie, sollен insgesamt 2 Stunden Schlaf pro Tag, aufgeteilt auf mehrere kurze Nickerchen, ausreichen. Es wird sogar behauptet, dass man viel mehr Energie hätte. Aber ist das überhaupt möglich?

Fakt ist, dass das Schlafmuster jedes einzelnen Menschen sich im Laufe des Lebens mehrfach verändert. Babys schlafen mehrmals pro Tag für kurze Zeit, erwachsene Menschen nutzen meist eine lange Schlafphase. Im Alter kann sich dies abermals ändern. Der Nachtschlaf wird kürzer, dafür hält der gute alte Mittagsschlaf wieder Einzug.

Welche Schlafmuster gibt es?

Monophasischer Schlaf

Diese Art des Schlafens ist die heute weltweit gängigste bei erwachsenen Menschen. Der Tag teilt sich dabei in eine Wachphase von rund 16 Stunden und eine Schlafphase von 8 Stunden auf.

Biphasisches Schlafmuster

Auch dieses Muster ist, vor allem in südlichen Ländern und bei älteren Menschen, weit verbreitet. Eine Nachtschlafphase von rund sechs Stunden wird ergänzt mit einem Mittagsschlaf von 20 Minuten. Es gibt auch das Schema 4,5 Stunden Nacht- und 1,5 Stunden Mittagsschlaf.

Jedermann-Schlafmuster

Jetzt wird es langsam interessant. Dieses Schlafmuster hat eine kurze Nachtschlafphase (min. 1,5 - max. 4,5 Stunden) und wird komplettiert durch zwei bis fünf Nickerchen von 20 Minuten, die über den Tag verteilt werden. Die Schlafzeit kann mit dem „Jedermann“ im Extremfall schon auf rund drei Stunden pro Tag verkürzt werden.

Dymaxion

Dieser Begriff ist eine Abkürzung und bedeutet „dynamische maximale Spannung“. Wie sie anhand der Grafik sehen, schläft man mit diesem Muster vier Mal 30 Minuten pro Tag, insgesamt also zwei Stunden. Die Nickerchen müssen dabei streng alle sechs Stunden gemacht werden.

Übermann

Gleich wie beim Dymaxion-Schlafmuster schläft man beim Übermann auch nur zwei Stunden täglich, дabei schläft man aber alle vier Stunden 20 Minuten lang, man kommt also auf sechs sehr kurze Schlafphasen.

Wie es theoretisch abläuft

Nach einer Umstellungsphase von zwei bis drei Wochen kommt der Körper praktisch sofort in den REM-Schlaf. Da diese Schlafphase als wichtigste für die Regeneration angesehen wird, geht man in der Community der polyphasischen Schläfer davon aus, dass extreme Modelle wie das Dymaxion ausreichen, damit Geist und Körper sich ordentlich erholen. Es soll so die maximale Anzahl an REM-Phasen in möglichst wenig Gesamtschlafzeit erreicht werden. ExpertInnen sind sich aber einig, dass nicht nur der REM-Schlaf die Erholung ausmacht. Auch der Tiefschlaf gehört dazu oder spielt sogar die Hauptrolle. Es gibt aber keine Langzeitstudien, weshalb das nicht mit Sicherheit gesagt werden kann.

Ist das noch gesund?

Zwei Stunden Schlaf klingen zunächst sehr ungesund. Jeder Mensch weiß, dass zu wenig Schlaf schlecht ist. Leider gibt es keine keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu polyphasischem Schlaf. Das Thema ist einfach zu neu, weshalb die Wissenschaft sich noch nicht dafür interessiert. Im Internet gibt es jedoch schon viele Selbstberichte. Darin wird immer wieder auf verschiedene Nebenwirkungen hingewiesen. Bei extremen Modellen wie dem Dymaxion fällt z. B. die Leistung sofort ab, wenn man ein Nickerchen auslässt.

Außerdem ist die Übergangszeit, in der man mit dem neuen Schlafmuster startet, extrem schwierig. Man ist ständig müde, schlecht gelaunt, die Leistung fällt drastisch ab und man kann sich nicht mehr konzentrieren. Hat man diese zwei bis drei Wochen überstanden, kann es auch später noch zu einer Veränderung der Selbstwahrnehmung kommen. Zudem wird immer wieder davon berichtet, dass sich euphorische Phasen mit extremen Müdigkeitsphasen abwechseln.

Sind die extremen Schlafmuster überhaupt möglich?

Immer wieder gibt es Berichte, in denen einzelne Menschen behaupten, sie hätten monatelang polyphasisch geschlafen. Sie hätten dann aber wieder damit aufgehört, weil es zu anstrengend wurde. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass diese Personen zu wenig schlafen. ExpertInnen weisen auch auf den Circadianen Rhythmus hin. Das bedeutet einfach, dass Menschen in der Nacht wegen des fehlenden Sonnenlichts eine starke Schlafneigung haben.

In der Welt des Sports findet man solch extreme Modelle häufiger. Zum Beispiel schlafen SportlerInnen, die an mehrtägigen Radrennen oder Marathons teilnehmen, häufig nach polyphasischen Schlafmustern. So kann die Leistung selbst bei drastisch reduzierten Schlaf konstant gehalten werden. Allerdings sind das immer nur verhältnismäßig kurze Phasen. Kaum ein Sportprofi würde dieses Schlafmuster monatelang beibehalten.

Also ist der monophasische Schlaf am besten?

„Mehrere kurze Schlafphasen pro Tag, das ist doch verrückt. Eine reicht, denn das ist das natürliche Schlafmuster des Menschen.“ Tatsächlich ist aber auch der monophasische Schlaf nicht natürlich, sondern gesellschaftlich vorgegeben. Vor der Erfindung der Glühbirne war der biphasische Schlaf oder manchmal auch der triphasische der vorherrschende Rhythmus.

Fazit

Die meisten Berichte über polyphasischen Schlaf enden mit dem Abbruch des Experiments. Der häufigste Grund neben Schlafmangel ist, dass das Modell einfach nicht praktisch ist. Wenn ich im Übermann-Muster alle vier Stunden schlafen muss!, bricht mein gesellschaftliches Leben zusammen. Vom Arbeitsleben ganz zu schweigen. Nur die wenigsten können alle vier Stunden ein Nickerchen machen. Diese Unflexibilität macht die ausgefalleneren Schlafmuster einfach unpraktisch. Obwohl sie mehr Zeit zur Verfügung hatten, erreichten sie also nicht unbedingt mehr.

Außerdem sollte man sich auch immer folgende Frage stellen, bevor man in den Übermann wechselt:

Was mache ich mitten in der Nacht, wenn alle Geschäfte geschlossen sind, alle anderen Menschen schlafen und mir langweilig ist? Schlafen wäre ein Idee, aber das darf man dann ja erst wieder in einigen Stunden.